12 2014
POLITIK
Protest, Angst und Offenheit Asylunterkünfte lösen in der Bevölkerung gemischte Gefühle aus. Während sich in einigen Gemeinden Widerstand regt, zeigen sich andere hilfsbereit. Was sind die Gründe für die unterschiedlichen Reaktionen?
Gemäss Asylstatistik des Bundesamts für Migration (BfM) sind in der Schweiz bis Ende Oktober 20540 Asylgesuche eingereicht worden – fast so viele wie im gesamten Jahr 2013. Und die Zahl der Asylsuchenden wird weiter zunehmen: Das BfM rechnet damit, dass 2015 zwi- schen 27000 und 31000 Asylbewerber in die Schweiz einreisen werden. Die Belastungen spüren vor allem die Ge- meinden. Entsprechend regt sich an ver- schiedenen Orten der Widerstand. Ne- ben Ängsten und dem Gefühl, mit Aufgaben überlastet zu werden, ist oft auch mangelhafte Kommunikation der Auslöser dafür. Rote Köpfe gabs vor Kurzem in der Aargauer Gemeinde Rekingen. Bevölke- rung und Behörde fühlten sich gemäss einem Bericht der «Aargauer Zeitung» hintergangen, weil das Departement Ge- sundheit und Soziales (DGS) im Jahr 2009 versprochen haben soll, keine wei- teren Asylsuchenden in der Gemeinde unterzubringen. Nun soll sie weitere Asylbewerber aufnehmen. An einer In- Finanzielle Abgeltung vom Kanton verlangt
formationsveranstaltung Ende Oktober stellte GemeindeammannWerner Schu- macher der DGS-Vorsteherin Susanne Hochuli drei Forderungen: «Wir wollen keine weiteren Asylsuchende aus dem Maghreb.» Die Erfahrungen nach dem «Arabischen Frühling» hätten gezeigt,
meinden den gesetzlichen Spielraum und kaufen sich mit einer Ersatzabgabe frei – darum müssen wir nehmen, was wir bekommen.» Gemäss «Aargauer Zeitung» will das DGS dieser «man- gelnden Solidarität bald einen Riegel schieben». Die jetzige Ersatzabgabe von
dass besonders diese «Klien- tel» den Behörden Probleme bereiteten. «Weiter wollen wir keine Familien aufneh- men», sagte Schumacher, denn die Kinder müssten, ohne ein Wort Deutsch zu verstehen, in der Gemeinde in die Schule. «Das bedeutet
zehn Franken pro Asylbe- werber und Tag sei zu attrak- tiv, sagte DGS-Generalse- kretär Stephan Campi. Ab 2016 soll die Abgabe durch eine «Ersatzvornahme» ab- gelöst werden. Dann müss- ten die Gemeinden die Kos- ten übernehmen, die durch
Kanton AG: «Ersatzabgabe wird von einigen Gemeinden missbraucht.»
einen riesigen Mehraufwand und somit extreme Kosten.» Schliesslich verlangte der Gemeindeammann eine finanzielle Abgeltung vom Kanton. Denn die zwölf Wohnungen für die Asylbewerber könn- ten von zwölf Familien bewohnt werden, die in der Gemeinde Steuern bezahlten. Die Kantonsvertreterin Hochuli gab zu, es sei nicht gerecht, einer kleinen Ge- meinde so viele Asylbewerber zuzutei- len. «Doch die Anzahl der Asylsuchen- den steigt dieses Jahr wieder sprunghaft. Zudem missbrauchen zahlreiche Ge-
die Umverteilung der Asylsuchenden entstünden. Die Ersatzzahlung würde gemäss Campi «massiv höher ausfal- len». Asylbewerber sind da, aber der Rechtsstreit geht weiter Eine andere Aargauer Gemeinde sorgte im Sommer schweizweit für Schlagzei- len. Der Gemeinderat undTeile der Be- völkerung in Aarburg fühlten sich vom Vorgehen des Kantons überrumpelt. In der Gemeinde mit 7300 Einwohnern lebten bereits über 30 Asylbewerber. Der Ausländeranteil betrage 42 Prozent, hiess es. Mit einem «Protestgrillieren» und mit Einsprachen wurde versucht, die Unterbringung von 90Asylbewerbern in zwei Wohnhäusern zu verhindern. Im Juli nahm die Asylunterkunft trotzdem ihren Betrieb auf. Gemäss den kantona- len Behörden «ohne Probleme», wie sie am Tag der offenen Türe bekannt gab. Der Rechtsstreit zwischen dem Kanton und der Gemeinde war bei Redaktions- schluss noch nicht entschieden. Noch im August hatte das kantonale Baudeparte- ment das vom Gemeinderat verhängte Nutzungsverbot für die Asylunterkunft aufgehoben. Gegen diesen Entscheid reichte der Gemeinderat beim Verwal- tungsgericht Beschwerde ein. Sogar bis vor Bundesgericht führte der Streit zwischen der Gemeinde Laax und dem Kanton Graubünden. Dieser hatte ein ehemaliges Hotel per Anfang Juli 2013 gemietet und als Asylzentrum für 100 Personen in Betrieb nehmen wollen. Doch die Gemeinde befürchtete, dass sich dies negativ auf denTourismus aus-
Asylsuchende in Schafhausen im Emmental. Ende Oktober lebten 26 Erwachsene und 30 Kinder im ehemaligen Schulhaus.
Bild: M. Gertsch
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SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014
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