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WIE PARTIZIPIERT DIE BEVÖLKERUNG?

ein fachlicher Input ebenfalls hilfreich war, sodass die Einwohner das nötige Verständnis aufbauen konnten. Onlineplattformen als Ergänzung Die Präsidenten sehen in Bezug auf digi­ tale Partizipationsmöglichkeiten durch- aus Potenziale. Auf Onlineplattformen wird zum Beispiel das Informationsan- gebot ausgebaut werden. Ferner ist ein Drittel der Befragten der Meinung, dass es zukünftig möglich sein wird, dass Be- schwerden auch online bearbeitet wer- den. Auch E-Petitionen oder E-Abstim- mungen sind Partizipationsformen, die zukünftig die politische Gemeindearbeit positiv beeinflussen könnten. Partizipa- tion wird gemäss den Befragten jedoch auch in der nahen Zukunft nicht vollum- fänglich digital stattfinden. Ein gesunder Mix zwischen Online- und Offline-Parti- zipation ist ihrer Ansicht nach eher rea- listisch. In der Praxis bewährte Formen wie Zukunftswerkstätten oder Arbeits- gruppen, so sind sie überzeugt, werden weiterhin ihre Anwendung finden. Fazit Abschliessend kann gesagt werden, dass der interaktive Dialog zwischen den Einwohnern und der Gemeinde, unab- hängig der digitalen Möglichkeiten, im Zeitalter der Individualisierung sowie der abnehmenden Identifizierung mit der Heimat- beziehungsweise Wohnge- meinde intensiviert werden muss. Es wird künftig noch wichtiger sein, die Meinungen und Emotionen der Bevölke- rung ernst zu nehmen und ihre An- sichten möglichst früh und in einem partizipativen Rahmen zu erfragen. Nur so kann es gelingen, die Bevölkerung gewinnbringend und nachhaltig in die Gemeindeentwicklung einzubeziehen. Dies verlangt jedoch von den Exekutiv- mitgliedern viel Fingerspitzengefühl, Geduld und kommunikative Fähigkeiten. Adrian Giger, Projektleiter, Kompetenz- bereich Empirische Datenerhebung/ Markt- und Unternehmensanalysen am Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft der Fachhochschule St. Gallen (IQB-FHS) Daniel Jordan Leiter Kompetenzbereich Empirische Datenerhebung/Markt- und Unternehmensanalysen am IQB-FHS

Bürgerinnen und Bürger der in der Ostschweiz untersuchten Gemeinden wenden sich am häufigsten direkt an die Verwaltung, wenn sie Einfluss nehmen wollen. Grafik: IQB-FHS

prozess. Dass durch die Bürgerpartizipa- tion das Interesse an der Gemeinde­ politik gesteigert wird oder dass durch die Beteiligung in erster Linie interes- sierte und gut situierte Einwohner er- reicht werden, können die Umfrageteil- nehmenden nicht bestätigen. Was aus der Befragung heraussticht: Die Sach- verhalte werden als zu komplex einge- stuft, sodass sie von einem Laien nicht verstanden werden. Gemeindeverant- wortliche sollten darum vermehrt darauf achten, dass komplexe Wörter oder Schachtelsätze gemieden werden. Für die Studie wurden drei Partizipati- onsstufen verwendet: Information, Kon- sultation und Kooperation. Die erste Stufe ist selbsterklärend, sie stellt keine wirkliche Partizipation dar. Auf der zwei- ten Stufe kann sich die Bevölkerung ak- tiv einbringen und ihre Meinung zu den Vorschlägen der Gemeinde äussern. Die höchste Stufe der Bürgerpartizipation ist die Kooperation. Die Einwohnerinnen und Einwohner haben hier die Möglich- keit, in einem vordefinierten Rahmen mitzuentscheiden. In den vergangenen vier Jahren beschäf- tigten sich zwei Drittel der beobachteten Gemeinden und Städte mit denThemen Raumplanung und Verkehr. Bei beiden Themenfeldern wurden jeweils über zwei Drittel der Bevölkerung aktiv miteinbezogen und konnten mitdiskutie- ren respektive mitentscheiden. Die Ge- meinden informierten an Infoabenden, setzten Arbeitsgruppen ein, führten Zu- Partizipation primär im Bereich Raumplanung undVerkehr

kunftswerkstätten und Bevölkerungsum­ fragen durch. Die Themen Nachhaltig- keit und Tourismus wurden von einem Dutzend Gemeinden bearbeitet. In bei- den Bereichen fanden vorwiegend Info- abende und Arbeiten in Arbeitsgruppen statt. Bei Fusionsgemeinden setzten zwei Drittel auf Konsultation und Koope- ration. Dabei kamen vorwiegend Ar- beitsgruppen, Bevölkerungsumfragen sowie Informationsanlässe zum Zug. Etwas weniger als die Hälfte der Befrag- ten bearbeitete dasThema Jugend. Da- bei wurde hautsächlich in einer Arbeits- gruppe gearbeitet oder ein runderTisch einberufen. Transparenz und zielgruppengerechte Kommunikation als Erfolgsfaktoren Die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden und Städte werden mehr- heitlich zu Beginn eines Projektes einbe- zogen. In 30 Prozent der Fälle wurde dies erst im Laufe eines Projektes gemacht, weil zuerst eine Grundlage wie bei- spielsweise ein Plan oder ein Modell ausgearbeitet werden musste. Sieben Prozent der Präsidenten gaben an, dass sich die gewählte Partizipationsstufe nicht bewährt habe. Hauptgrund war das fehlende Engagement der Bevölkerung. Ferner wurde angegeben, dass gewisse Einwohner Eigeninteressen verfolgten oder dass die Gemeinde selber zu kom- plex informierte. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Bürgerpartizipation liegt in einer transparenten und nachvollziehba- ren Kommunikation sowie darin, die richtigen Personen zu informieren und «abzuholen». Zwei Drittel gaben an, dass

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SCHWEIZER GEMEINDE 9 l 2018

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