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SCHWEIZERISCHER GEMEINDEVERBAND

ZumTod von Ehrenpräsident Toni Cantieni Am 23. April ist Toni Cantieni, der Ehrenpräsident des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV), im Alter von 88 Jahren gestorben. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass der SGV zu einer wichtigen politischen Kraft wurde.

Toni Cantieni wurde im Juni 1987 an der Generalversammlung in Bern als Nach- folger von Erwin Freiburghaus zum Prä- sidenten des SGV gewählt. Er war ab 1965 Mitglied des SGV-Vorstands, ab 1980 Vizepräsident des SGV. Nach seiner Demission ernannte ihn die Generalver- sammlung 1995 in Bern zum Ehrenprä- sidenten. Der Bündner war auch viele Jahre nach seiner aktiven Zeit als regel- mässiger Gast der Generalversammlun- gen vielen bekannt. Gemeindepräsident vonVaz/Obervaz Cantieni wurde am 14. Mai 1928 auf der Lenzerheide in der GemeindeVaz/Ober- vaz als Sohn eines Landwirts und einer Bäuerin geboren. Er besuchte von 1945 bis 1949 das Lehrerseminar in Chur und erwarb 1953 an der Universität Frei- burg das Sekundarlehrerpatent. Bis 1962 wirkte er als Lehrer inVaz/Obervaz, Chur und Tiefencastel. Bereits im Alter von 34 Jahren über- nahm Cantieni das Amt des Gemein- depräsidenten von Vaz/Obervaz. Die Bündner Gemeinde stand Anfang der 1960er-Jahre vor einer grossen touristi- schen Entwicklung und war mit verschie- densten Herausforderungen konfron- tiert. Mit Umsicht und Ausdauer, so das «Bündner Tagblatt» 2013, habe Can- tieni, der von 1963 bis 1973 auch dem Grossen Rat angehörte, die erforderli- chen Massnahmen eingeleitet. So war er beispielsweise auch Mitbegründer der Bergbahnen Danis AG, die er von 1977 bis 1993 führte. Von 1963 bis 1973 war Cantieni für die CVP im Grossen Rat und von 1971 bis 1987 als Vertreter der Bündner CVP Mit- glied des Nationalrats. In seiner Funk- tion als Bundesparlamentarier war er ausserdem mehrere Jahre Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Cantieni präsidierte auch die CVP Graubünden und habe es, wie das «BünderTagblatt» anlässlich seines 85. Geburtstags feststellte, verstanden, zwischen den bisweilen divergierenden Meinungen zu vermitteln. Cantieni sei «eine grosse Stütze, ein wohlwollender Ratgeber und ein beispielhafter Kollege»

Verdienste geehrt. «Toni Cantieni hat we- sentlich dazu beigetragen, dass der Ver- band zu einem Spitzenverband unseres Landes heranwachsen konnte. Er hat auch tatkräftig bei der Schaffung und Konsolidierung der einzelnen Dienstleis- tungsbetriebe desVerbands mitgewirkt», schrieb die «Schweizer Gemeinde» in ihrem Bericht. Unter Cantienis Führung hat der SGV Anfang der 1990er-Jahre seine politischeTätigkeit intensiviert. Ein erster Schritt war die Gründung der Par- lamentarischen Gruppe «Kommunalpo- litik», die der SGV heute zusammen mit dem Schweizerischen Städteverband (SSV) betreut. In Cantienis Amtszeit fie- len aber auch die für die Gemeinden sehr wichtigenArbeiten um die Nachfüh- rung der Bundesverfassung. Zusammen mit dem SSV gelang es, den «Gemein- deartikel» (Art. 50) in der Bundesverfas- sung zu verankern und die Stellung der Gemeinden im Bundesstaat aufzuwer- ten. «Grenzüberschreitende Ausstrahlung» Als Mitglied der ParlamentarischenVer- sammlung des Europarats hatte Can- tieni oft eine europäische Sicht; so setzte er sich beispielsweise für die Un- terzeichnung der Charta der kommuna- len Selbstverwaltung des Europarates oder für Partnerschaften mit Gemeinden in Osteuropa ein. In seinem Rückblick auf das 40-jährige Bestehen des SGV schrieb Cantieni imVorwort des Jahresberichts: «Die politische Ausstrahlungskraft der Gemeinden und Städte muss aber grenzüberschreitend sein. Kommunale, kantonale und Staatsgrenzen sollen keine Barrieren sichtbar werden lassen. Angesichts der Notlage unzähliger Län- der und der anhaltenden Missachtung der Menschenrechte ist es unsere Pflicht, unseren Beitrag zur Linderung von Not und Elend zu leisten. Die angestrebte Partnerschaft mit Gemeinden in Osteu- ropa soll ein erster Schritt sein.»

Toni Cantieni, Ehrenpräsident Bild: zvg des Schweizerischen Gemeindeverbands.

gewesen und habe sich sehr stark zu- gunsten der Bergbevölkerung engagiert, wurde alt Nationalrat Dumeni Colum- berg zitiert. Der SGV-Ehrenpräsident setzte sich stark für den Erhalt der romanischen Sprache ein. Von 1984 bis 1992 präsidierte er un- ter anderem die romanische Sprach- organisation Lia Rumantscha. Als Mit- initiant und Präsident der Pro Svizra Rumantscha war er wesentlich an der Gründung der romanischen Tageszei- tung «La Quotidiana» beteiligt. Nach seiner Pensionierung gab Cantieni zwei Bücher mit Erzählungen und Gedichten in Obervazer Romanisch heraus. Gemeindeartikel in der Verfassung An seiner letzten Generalversamm- lung, die im Rahmen der Suisse Public stattfand, die damals noch Kommunal- fachmesse Gemeinde 95 hiess, wurde Cantieni vom SGV für seine grossen

Steff Schneider

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SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2016

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