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NATURGEFAHREN

Wissen, was bei Hochwasser auf dem Spiel steht Ein neues, an der Universität Bern entwickeltes Onlinetool bietet Gemeinden Entscheidungshilfen beim Umgang mit Hochwassern. Der Schadensimulator liefert unter anderem Argumente für ei- nen verbesserten Objektschutz.

tionen aber zentral», erklärt Margreth Keiler, Professorin für Geomorphologie und Risiko an der Universität Bern, «denn geringe Gefährdung bedeutet nicht automatisch auch geringen Scha- den.» Auch die Kantone und der Bund tragen dem Rechnung und erarbeiten deshalb vermehrt Risikoübersichten. Neuer Schadensimulator Gefragt ist also eine Interpretationshilfe, die den zuständigen Behörden aufzeigt, was in ihrer Gemeinde bei einem Hoch- wasser tatsächlich auf dem Spiel steht. Genau das ermöglicht der im Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern entwickelte Schadensimulator. Dieses kostenlose Onlinetool, abrufbar unter www.schadensimulator.ch, veranschau- licht das mögliche Schadenausmass bei Hochwassern in der ganzen Schweiz. Mit seiner Hilfe kann jede Gemeinde ermit- teln, welche Schäden heute auftreten könnten und wie sich das Schadenaus- mass künftig entwickeln wird, zum Bei- spiel, wenn die bestehenden Bauzonen überbaut werden. «Dank diesem Werk- zeug erkennen die einzelnen Gemein- den, wie grosse Sachschäden entstehen könnten», erklärt ChristianWilhelm, Be- reichsleiter im Bündner Amt für Wald und Naturgefahren, der den Schadensi- mulator getestet hat, «und im Kantons- überblick ist ersichtlich, welche Gemein- den am stärksten betroffen sind. So lassen sich Prioritäten setzen.» Visualisierung von Hochwasserschäden Anhand eigener Szenarien lässt sich mit dem Schadensimulator dieWirkung un- terschiedlicher Handlungsmöglichkeiten simulieren. Für diese Simulationen müs- sen keine spezifischenWerte eingegeben werden – mit wenigen Klicks kann jede Schweizer Gemeinde ihr individuelles Szenario berechnen. Der Schadensimu- lator basiert auf neuentwickelten Model- len und statistischen Analysen, die ne- ben Überschwemmungsschäden der vergangenen Jahre die Lage der Ge- bäude in den Gefahrenzonen und Infor- mationen zu den Gebäuden berücksich- tigen.

Treten Bäche und Flüsse über die Ufer, werden Gemeinden stark gefordert. So zum Beispiel im August 2008, als inWynigen (BE) der Chänerechbach die Kantonsstrasse Burgdorf-Wyni- gen unpassierbar machte. Bild: Mobiliar Lab für Naturrisiken / GemeindeWynigen / CC BY-SA 4.0

Den meisten Gemeinden ist nur allzu gut bewusst, wie wichtig der Schutz vor Hochwasser ist. 80 Prozent von ihnen waren in den vergangenen 40 Jahren von Überschwemmungen betroffen. Das sorgte nicht nur für viel Beeinträchtigun- gen bei der betroffenen Bevölkerung, sondern auch für hohe Kosten: Über zwei Drittel der Schäden, die durch Na- turereignisse verursacht werden, stehen im Zusammenhang mit Überschwem- mungen. Gebäude für 500 Mia. in Gefahrenzonen Der Neuwert aller Gebäude in Gefahren- gebieten liegt bei rund 500 Milliarden Franken.Weil Bauland in der Schweiz ein rares Gut ist, wurde in den vergangenen Jahrzehnten vermehrt auch in über- schwemmbaren Gebieten gebaut. Ne-

ben Wohnbauten sind auch zahlreiche Infrastrukturbauten wie Strassen, Eisen- bahnstrecken und Spitäler regelmässig von Hochwassern betroffen.

Geringe Gefährdung heisst nicht automatisch geringer Schaden

Um grosse Schäden zu verhindern, ist in diesen Gebieten ein adäquater Schutz nötig. Grundlage dafür sind die detail- lierten Gefahrenkarten, die schweizweit für die betroffenen Siedlungsgebiete erstellt wurden. Diese Karten zeigen al- lerdings nur, wie häufig und wie intensiv Überschwemmungen sein können. In- formationen darüber, was genau gefähr- det ist und wie hoch das Schadenaus- mass bei einemHochwasser sein könnte, fehlen. «Für eine ganzheitliche Sicht im Risikomanagement sind solche Informa-

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SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2020

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