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GESUNDHEIT

‹ressourcenorientierte Eingliederungs- profil›, kurz ‹REP› genannt, auszufüllen. Sie erklärte mir, dass damit sehr gut er- fasst werden könne, welcheAnforderun- gen für meine bisherige Tätigkeit als Sachbearbeiterin für Kundenanfragen erforderlich seien. Sie erfasste meine Angaben detailliert imwebbasiertenTool und druckte mir das REP aus. Damit suchte ich meineÄrztin auf, die zu jedem einzelnen Punkt ihre Einschätzung gab, ob oder unter welchen Bedingungen ich ihn erfüllen könne. Es war ein gutes Gespräch, denn es stellte sich heraus, dass ich mit den pas- senden Rahmenbedingungen bereits wieder 50 Prozent arbeitsfähig war, vor- erst noch von zu Hause aus. Meine Vor- gesetzte war einverstanden und gleiste den technischen Support auf. Ich hätte nie erwartet, dass mich mein Arbeitge- ber so unterstützt bei der Erhaltung mei- nes Arbeitsplatzes, und war unendlich erleichtert. Parallel zur den neuen Ar- beitsbedingungen entschied ich mich für eine ambulante Therapie, die mir die Aufarbeitung der Gründe für meine Ängste und Panikattacken erleichtern und meine Arbeitsfähigkeit vollständig wiederherstellen sollte.» Chronifizierungsrisiko vorbeugen Dieses Beispiel zeigt eindrücklich die Möglichkeiten des REP bei der berufli- chen Reintegration. Viele Ärzte kennen die Anforderungen und Rahmenbedin- gungen ihrer Patienten am Arbeitsplatz kaum. Deswegen attestieren sie häufig eine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit. 80 Prozent aller Arztzeugnisse bestätigen eine Arbeitsunfähigkeit von entweder 0 Prozent oder aber 100 Prozent. Für eine erfolgreiche Wiedereingliederung sind Zwischenstufen jedoch elementar. Ge- rade bei psychischen Erkrankungen ist es wichtig, dass im Austausch mit dem Arbeitgeber und dem behandelnden Arzt bzw. der Ärztin bereits frühzeitig Teilarbeitsfähigkeiten umgesetzt werden können. So kann Chronifizierungen ent- gegengewirkt werden. Das REP erleich- tert diesen Austausch zwischen den be-

Im Gegensatz zum Arbeitsunfähigkeits- zeugnis werden mit dem REP die kon- kreten Möglichkei- ten der erkrankten/ verunfallten Person am Arbeitsplatz sichtbar gemacht – ein Paradigmen- wechsel, der sich auf die noch vorhan- denen Ressourcen konzentriert. Bild: Ausschnitt aus dem REP

teiligten Interessengruppen, denn die verfügbaren Ressourcen der betroffenen Person bezogen auf die Anforderungen am Arbeitsplatz sind dort detailliert er- fasst. Ressourcenorientiertes Vorgehen für umfassende Beurteilung Das REP ist ein umfassendes Instru- ment, mit welchem neben körperlichen Anforderungen auch zahlreiche kogni- tive, mentale und psychosozialeAspekte einbezogen werden können. Dies er- möglicht eine umfassende Beurteilung der Leistungsfähigkeit der betroffenen Person. Im Gegensatz zum bisherigen Arbeitsunfähigkeitszeugnis werden mit dem REP die konkreten Möglichkeiten der erkrankten/verunfallten Person am Arbeitsplatz sichtbar gemacht. Dies ist ein Paradigmenwechsel, der vom defizit- orientierten Denken und Erfassen weg- führt und sich auf die noch vorhandenen Ressourcen konzentriert. Die Swiss In- surance Medicine (SIM) hat denn auch im März 2019 neu ein zum REP passen- des Arbeitsfähigkeitszeugnis entwickelt. Das REP findet bei Arbeitgebern, Betrof- fenen und der Ärzteschaft zunehmend Anklang, weil sich der auch zeitlich ver-

hältnismässige Aufwand für alle Betei- ligten lohnt.

Regina Knöpfel hat das Projekt zur Ein- führung des REP geleitet. Sie führt un- ter anderem die Knöpfel Life Consulting AG und ist seit 2015 für die Fachentwicklung von Compasso man- datiert. Martin Kaiser ist seit 2014 Präsident von Compasso und Mitglied der Ge- schäftsleitung beim Schweizerischen Arbeitgeberverband SAV. Dort verant- wortet er das Ressort Sozialpolitik und Sozialversicherungen. Quelle: Magazin Arbeitssicherheit Schweiz (Dezember 2019)

Informationsportal für dieWiedereingliederung Compasso (www.compasso.ch) ist das Informationsportal für Arbeitgeber mit dem Fokus auf Früherkennung und In- tervention sowie berufliche Eingliede- rung an den Schnittstellen zwischen Unternehmen, Betroffenen, IV, Suva, Pensionskassen und Privatversiche- rern. Ziel ist der Erhalt bzw. das Wie-

dererlangen der Arbeitsmarktfähigkeit von Mitarbeitenden mit gesundheitli- chen Beeinträchtigungen. Informationen zum ressourcenorien- tierten Eingliederungsprofil REP unter https://www.compasso.ch/Eingliede- rungsprofil

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SCHWEIZER GEMEINDE 3 l 2020

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