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RÜCKZONUNGEN
gemeinsam mit den damaligen Boden- preisen die Ansiedlung eines Einfamili- enhausquartiers», sagt Gemeindepräsi- dent Meuli. Die Ebene östlich davon blieb jedoch bis zur folgenden Konzent- rationsrunde eingezont. Erst dann wurde das 35 Hektar grosse Baugebiet am Westufer des Silvaplanersees zu einer knapp zwei Hektar grossen Parzelle am Siedlungsrand von Sils-Maria zusam- mengeschrumpft. Wie eine Güterzusammenlegung Von der Nutzungskonzentration im Ge- biet «Cuncas» waren zwölf Landeigen- tümer betroffen. Wie deren Anrechte
zum Bauen auf die Randparzelle transfe- riert worden sind, erinnert an eine Gü- terzusammenlegung: Die Grundstücke werden in einenTopf geworfen und neu verteilt. Die Besitzanteile der Grundei- gentümer bleiben jeweils gleich. Was ändert, ist das Ausnützungsmass auf der geschrumpften Baulandfläche. Biswei- len kann die Planungsbehörde einen gewissen Ausgleich zur Nutzungsbe- schränkung schaffen, wenn sie die Aus- nützung leicht erhöht (vgl. nachfolgen- des Interview mit Orlando Menghini). Dennoch ist ein solchesVorgehen für die Gemeinde Sils äusserst vorteilhaft: «Eine Nutzungskonzentration ist nicht
entschädigungspflichtig», bestätigt Meuli. Die Eigentumseingriffe sind zu geringfügig, um eine Entschädigungs- pflicht auszulösen. Entsprechende Grundsatzurteile hat das Bundesgericht in den 1980er-Jahren gefällt. Paul Knüsel Quelle: Inforaum, September 2018 Magazin für Raumplanung EspaceSuisse Urteil des Bundesgerichts: BGE 104 Ia 120 vom 8. Februar 1978: Bestätigung der Auszo- nung in der Ortsplanrevision Sils von 1970 https://bit.ly/2Q16vSn
«Eingriff ins Privateigentum wird sozusagen kollektiviert» Bauzonen mit einer Nutzungskonzentration redimensionieren: das sei demokratischer als reine Auszonungen, sagt Raumplaner Orlando Menghini, der an diesem Prozess in Sils (GR) mitgewirkt hat. Alle Eigentümer der Ursprungsfläche würden gleichberechtigt behandelt.
Haben sich die Eigentümer gegen die Konzentration nicht gewehrt, obwohl damit deren Nutzungsrechte beschränkt wurden? Menghini: Die Haltung der Behörde und der Bevölkerung war klar: Man wünscht nur ein moderates Siedlungswachstum und will die Landschaft schonen. Die Grundeigentümer haben erkannt: Hätte man noch länger zugewartet, wären möglicherweise auch die reduzierten Baupläne bestritten worden. Daher lag es in deren Interesse, den Standort so schnell als möglich zu überbauen. Sind solche Nutzungskonzentrationen nicht auch eine Art Kuhhandel, weil der Ermessensspielraum der Planungs träger relativ gross erscheint? Menghini: Im Kanton Graubünden wird dieses Planungsinstrument seit den 1980er-Jahren mit Erfolg bei Bauzonen- reduktionen eingesetzt. In der Praxis hat es sich bewährt und wird sowohl von den Gemeinden als auch von den Grund- eigentümern verstanden. Ich erkläre das Verfahren den Beteiligten jeweils so: Eine Nutzungskonzentration ist eine «demokratische» Lösung mit einer Kol- lektivierung der Planungsgewinne und -verluste. Wenn man stattdessen eine einzelne Parzelle ohne Gegenleistung
Herr Menghini, wie haben Sie als Ortsplaner von Sils im Engadin bei der Auszonungsaktion in «Cuncas» mitgewirkt? Orlando Menghini: Als Kreisplaner beim Kanton und junger Architekt war ich 1989 Mitglied der Wettbewerbsjury, als das Projekt von Herzog & de Meuron für eine Wohnsiedlung in «Cuncas» ausgewählt wurde. Im Jahr 1995, als die Gemeinde- versammlung eine weitere Reduktion der zulässigen Bruttogeschossfläche be- schloss, durfte unser Büro auf Anfrage eines Grundeigentümers eine Planungs- studie vorlegen, wie die Nutzungskon- zentration sinnvoll umzusetzen sei. Das Verdikt nach der kommunalen Abstim- mung war: Das Bauvolumen musste um den Faktor 4,3 reduziert werden. Anstelle der geplanten ca. 35000 m Bruttoge- schossfläche mit ca. 350 Wohnungen waren nur mehr 8000 m 2 erlaubt. Ein Wohnquartier mit derart geringer Di- mension an einem abgelegenen Stand- ort war aber nicht sinnvoll. Deshalb schlugen wir die Umlegung der zulässi- gen Baumasse an den Siedlungsrand vor. An diesem konzentrierten Standort galt es, einen Bebauungsplan mit stand- ortverträglicher Dichte zu entwerfen; Gemeinde und Grundeigentümer haben dem schliesslich zugestimmt.
Orlando Menghini, Raumplaner, Stauffer & Studach Raumentwicklung, Chur. Bild: zVg.
auszont, schafft man Verlierer und provoziert Opposition, die sich auf die Stimmung der ganzen Bevölkerung nie- derschlagen kann. Mit der Nutzungs- konzentration bietet die Behörde den Eigentümern eine Alternative, die eine qualitative Bebauungs- und Er- schliessungsplanung beinhaltet. Zudem wird der Erschliessungsaufwand redu-
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SCHWEIZER GEMEINDE 11 l 2019
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