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LITTERING UND VANDALISMUS

Studienarbeiten zu Farben im öffentlichen Raum, realisiert im Haus der Farbe in Zürich.

Bild: Fabrice Müller

Kontrolle ist wahrscheinlicher, wenn keine Anonymität vorliegt und die An- wohner sich gegenseitig kennen. Ästhe- tik, Ambiente, Begrünung und Material- qualität haben einen Einfluss auf die Werthaltung, die Personen einem be- stimmten öffentlichen Raum geben.» Im Handbuch «Littering – Praxishilfe zur Entwicklung von Massnahmen gegen Littering» von T. Berger, A. Staub und J. Heeb aus dem Jahre 2008 wird emp- fohlen, übersichtliche und transparente öffentliche Räume zu schaffen, die auch in der Nacht gut beleuchtet sind. So zeigte sich beispielsweise in der Litte- ringbeobachtungsstudie der Universität Basel von 2005, dass hauptsächlich Ab- fall liegen gelassen wurde, wenn die soziale Kontrolle fehlte. Mit gestalteri- schen Mitteln lassen sich – so Alexandre Mueller – Territorialsysteme definieren und voneinander abgrenzen, zum Bei- spiel mithilfe von einem andersartig ge-

stalteten Bodenbelag, einem Torbogen oder einer Abschrankung mit geringer Höhe. «Ziel dieser symbolischen Barrie- ren ist es, die Zugehörigkeit, die Ein- flussnahme und die Überschaubarkeit zu erhöhen und die Umwelt unter die Kontrolle der Anwohner zu bringen.» Dadurch werde ein Niemandsland ver- mieden, für das sich niemand verant- wortlich fühlt und wo Vandalismus und Littering gedeihen können. Die ge- mischte Nutzung von Gebäuden und Quartieren mitWohneinheiten, Kleinbe- trieben, Restaurants und öffentlichen Plätzen nehme einem Gebiet die Anony- mität, sorge für Belebung und erhöhe dadurch ebenfalls die soziale Kontrolle. Graffiti bewusst Raum geben StrukturelleVeränderungen können aber ebenso auf der Materialebene zu einem veränderten Verhalten führen. Um ge- wissen Materialien wie Beton die «bru-

talistische Wirkung» zu nehmen, emp- fiehlt David Keist, die Betonoberflächen beispielsweise mitTexturen zu veredeln. Eine weitere Möglichkeit imUmgang mit Graffiti ist laut David Keist das bewusste Zulassen von Sprayereien, so gesche- hen etwa bei den «Sugus-Häusern» im Zürcher Kreis 5. Diese wurden immer wieder von Sprayern heimgesucht, nachdem die Fassaden zuvor im Rah- men des Anti-Graffiti-Abos bei der Stadt Zürich einen neuen Anstrich erhalten hatten. Dann wurde es dem Immobilien- eigentümer zu dumm. Anstatt die Fas- sade immer wieder neu zu streichen, liess man sie vom Streetartisten Redl mit Graffiti bemalen. Auch die Kirchge- meinde Wipkingen hatte jahrelang ein Sprayerproblem, bis sie dieWände von zwei Brüdern unter dem Motto «Ge- meinsam stark» gestalten liess. Resultat: Die anderen Sprayer respektieren das Kunstwerk und übersprayen es nicht.

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SCHWEIZER GEMEINDE 1 l 2017

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